STADTSOZIOLOGIE: Christmas Trash Theory

STADTSOZIOLOGIE: Christmas Trash Theory
Alter Herd neben Altpapiercontainern in Hamburg Eppendorf

Laut der "Broken Windows Theory" begünstigen Stadtteile, in denen sich Zeichen der Verwahrlosung wie Graffiti oder kaputte Fenster häufen, eine Atmosphäre, in der dann bald auch schwere Verbrechen wie Mord und Totschlag begangen werden.

Am zweiten Weihnachtstag hat nun jemand einen alten Herd gleich neben den Altpapier-Containern vor unserem Haus in Hamburg Eppendorf entsorgt. Aus diesem Anlass habe ich bei LinkedIn das Foto oben gepostet und meine brandneue "Christmas Trash Theory" zur Diskussion gestellt:

"Wer - wie die Bewohner des Hamburger Nobel-Stadtteils Eppendorf - das ganze Jahr über menschenverachtendem Leistungs-Darwinismus frönt, Steuern hinterzieht und die Umwelt mit seinem SUV verpestet, wirft am 2. Weinachtstag auch gern einfach mal seinen alten Gas-Herd in den Papiermüll."

Meine neuer Forschungsansatz hat auf der Karriereplattform sofort zu vehementen Verteidigungsdiatriben geführt, die allesamt das Ziel hatten, den Ruf des problematischen Wohngebiets zu rehabilitieren. So hat ein Experte für digitale Transformation eingewendet, dass es immerhin besser sei, einen alten Herd an einer "Wertstoff-Insel" zu entsorgen als an irgendeiner Wald-Ecke. Außerdem zeige mein Foto einen Elektroherd mit Ceranfeld und nicht etwa einen Gasherd.

Durchtherapierte Golden Retriever

Der Transformationsspezialist hat natürlich Recht. Es ist auch besser, den Herd vor die Altpapier-Container zu kübeln als ihn auf einen durchtherapierten Golden Retriever zu werfen. Obwohl Elektroherde nicht so schmerzhaft sein sollen wie Gasherde, wenn sie einem auf den Kopf fallen.

Ein Hamburger Entrepreneur warf schnippisch ein, meine Stadtsoziologie stütze sich ausschließlich auf Vorurteile. Der Vorwurf trifft mich nicht allzu hart, denn zur kognitiven Erfassung von Eppendorf reichen Vorurteile vollkommen aus. Das konnte ich in den 15 Jahren, die ich hier wohne, zur Genüge erforschen.

Ein anderer LinkedIn-Nutzer, Energieeffizienz-Experte für Wohngebäude und Nichtwohngebäude in der stolzen Hansestadt, brachte seine ganze Expertise ein und wandte ein, für ihn weise das Bild einfach nur auf Menschen hin, die zu bequem seien, einen Herd kostenlos bei einem Recyklinghof der Stadt abzugeben und denen ihre Umgebung gleichgültig sei. Er ergänzte, diese Haltung sei ihm schon bei allen Einkommensgruppen aufgefallen. Und schloss mit den Worten: "Wo mehr Menschen wohnen, wohnen auch mehr Menschen denen die Umgebung gleichgültig ist."

All diese Einwände zwingen mich, meine Gedanken hier noch einmal nachzuschärfen. Wofür hat man schließlich ein eigenes Blog? Ich präzisiere also: Die "Broken Windows Theory" wird leider regelmäßig dazu genutzt, um drakonische Massnahmen gegen sozial schwache Gruppen durchzusetzen. Der "Revolutionsrat der Freien Räterepublik Eppendorf" setzt nun mit seiner neu entwickelten "Christmas Trash Theory" am anderen Ende der sozialen Leiter an.

Aber natürlich spürten all meine Kritiker auf LinkedIn instinktiv die wahre Motivation hinter meiner brandneuen "Christmas Trash Theory": Im Grunde sucht der "Revolutionsrat der Freien Räterepublik Eppendorf" nur fadenscheinige Legitimationen für den nächsten Schritt: Enteignung! Mehr dazu bald hier. Stay tuned!

PS: Der Herd ist inzwischen übrigens weg. Weiss nicht, ob es daran lag, dass jemand diesen Zettel hier draufgeklebt hat:

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