Sie kommen aus Afghanistan, Senegal, Irak und standen noch nie auf dem Eis. Jetzt sollen sie ausgerechnet Curling spielen (stern+)
Eine Hamburger Schule möchte ein Team zur Curling-Meisterschaft schicken. Es melden sich nur Geflüchtete. Sie wittern ihre Chance. Ich habe sie ein Jahr lang begleitet.
Eine Eishalle in der Nähe des Hamburger Tierparks. Es ist Herbst, Beginn der Curling-Saison. Ein junger Mann sitzt ungeduldig am Eisfeldrand. Die Trainerin zeigt einfache Übungen, damit sich die Spieler langsam wieder an das Eis gewöhnen. Aber der junge Mann will jetzt keine Übungen machen. Shakib will endlich wieder spielen. Er hat da noch etwas zu beweisen. Die Kränkung liegt schon einige Monate zurück, aber vergessen ist sie nicht.
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Es ist Anfang März 2022, elf Uhr abends, und auf einem Parkplatz vor einem Flughafenhotel tanzt eine Gruppe von Jugendlichen: Seynabou aus dem Senegal, Asia aus dem Irak, Anssaro aus Guinea-Bissau und drei Jungs aus Afghanistan: Ali Meysam, Jawad und Shakib. Übers Handy läuft afghanischer Pop. Anssaro kam erst vor Kurzem ins Land und spricht kaum Deutsch. Doch gerade versteht sie hier einfach alles. Sie strahlt. In diesem Moment scheint diesen sechs alles möglich.
Irgendwo dort drüben ist der Flughafen Baden-Baden. Ehemaliger Militärflugplatz der Royal Canadian Air Force. Relikt aus dem Kalten Krieg. Geopolitik. Kompliziert. Wer wüsste das besser als diese Jugendlichen hier?
In den 1950ern schufen sich die Kanadier gleich neben ihren Kasernen ein Stück Heimat: Sie errichteten eine Curling-Halle. Damit sie endlich ihrer geliebten Wintersportart nachgehen konnten.
In dieser Halle finden die Deutschen Schulmeisterschaften im Curling statt. Der erste Tag ist vorbei. Die Mannschaften sind elegant übers Eis geglitten, haben sich ermuntert, geärgert, vor allem aber haben sie gewischt, gewischt, gewischt.
Gewischt? Ja: Mit einem speziellen Besen schrubben die Curler das Eis vor dem kreiselnden Stein, um es durch Reibung zu verflüssigen. So kann der Stein besser gleiten. Dieses Wischen sieht immer ein bisschen seltsam aus. Aber daran haben sich die sechs schon gewöhnt. Der Tag ist gut gelaufen. Sogar gegen richtige Curling-Cracks haben sie gewonnen. Überraschend. Denn sie sind hier das einzige Anfängerteam.
"Was die Jungs können, kann ich schon lange"
Zum Curling sind sie durch Zufall gekommen. Da sie erst vor Kurzem in Deutschland gelandet sind, besuchen sie eine Internationale Vorbereitungsklasse. An der Stadtteilschule Alter Teichweg in Hamburg-Dulsberg bereiten sie den "Ersten allgemeinbildenden Schulabschluss" vor.
Und da ihre Schule einen Sportschwerpunkt hat, hatte die Leitung im Herbst 2021 beschlossen, eine eigene Mannschaft zur Deutschen Curling-Schülermeisterschaft zu schicken. Weil Curling nun aber ein etwas eigenartiger Sport ist, fand sich niemand. Bis auf die Neuankömmlinge. Ali Meysam erinnert sich: "In Afghanistan hatte ich von Curling noch nie gehört. Aber unsere Lehrerin hat uns Videos gezeigt. Sah lustig aus. Also habe ich mir gesagt: Probiere ich aus."
Seynabou zögerte anfangs. "Aber dann hatten sich nicht genug gemeldet", sagt sie. "Da habe ich mir gesagt: Was die Jungs können, kann ich schon lange."
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Sie kommen aus Afghanistan, Senegal, Irak und standen noch nie auf dem Eis. Jetzt sollen sie ausgerechnet Curling spielen (stern+)