Hamburger Skandal-Impfzentrum: Schmutzig Boostern bei Gleis 5 (stern+)
Deutschland soll bis Weihnachten 30 Millionen Booster-Impfungen verabreichen. Das hohe Tempo bietet Chancen für schnelle, aber nicht immer saubere Geschäfte. Ein persönlicher Erfahrungsbericht.
Eigentlich hätte ich es ja wissen müssen. Denn wer soll schon besser als mein Hausarzt sein? Seit Jahren behandelt er mich zuverlässig. Und als die Stiko im Sommer die Corona-Impfung endlich für alle freigab, bekam ich sofort einen Termin. Mein Hausarzt ist der Beste. Also machte ich vorletzte Woche einen Booster-Termin bei ihm aus. Anfang nächsten Jahres soll ich bei ihm meine dritte Corona-Schutzimpfung bekommen, genau sechs Monate nach meiner Zweitimpfung.
Aber dann kamen die Zweifel. Sechs Monate? War das nicht ein bisschen spät? Lässt der Impfschutz nicht schon nach drei Monaten nach? Sagte nicht König Karl persönlich, Boostern sei schon nach fünf Monaten sinnvoll? Boostert man in Israel, Bayern und Berlin nicht schon nach fünf Monaten? Und in Großbritannien sogar schon nach drei?
In mir rumorte es. Und es reifte die Überzeugung: Booster nach fünf Monaten wäre einfach besser. Besonders jetzt, wo Omikron vor der Tür steht. Nichts hilft besser gegen die neue Virus-Variante als eine dritte Impfung.
Dieses Impfzentrum war ein echter Geheimtipp
Also hörte ich mich um. Kann ja nicht so schwer sein. Schließlich gibt es in ganz Hamburg offene Impftermine. Da braucht man sich nur anzustellen. Da kann man doch sicher einfach durchschlüpfen. Geimpft wird im Einkaufscentrum, in der Moschee, ja, sogar in der U-Bahn. Gute Sache. Endlich hat man von Bundesimpfmeister Bremen gelernt. Wenn der Patient nicht zur Spritze kommt, muss die Spritze eben zum Patienten. Aber bei all diesen offenen Angeboten besteht man leider auf sechs Monaten Abstand zur Zweitimpfung. So, wie es das RKI bislang empfiehlt.
Also suchte ich weiter. Irgendwo musste doch eine Lücke im System sein. War doch schließlich gerade Wilder Westen da draußen. Und tatsächlich: Auf Facebook entdeckte ich eine Empfehlung für eine Corona-Teststelle, die neuerdings auch Corona-Impfungen anböte. Am Hamburger Hauptbahnhof, direkt in der Wandelhalle, in einem Ladenlokal bei Gleis 5 und 6. Dort achte niemand auf Impfpass oder offizielles Impfschema, hieß es.
Mehrere Nutzer erzählten, wie problemlos sie dort ihren Booster-Shot bekommen hätten, obwohl ihre sechs Monate noch nicht abgelaufen waren. Es sei zwar alles ziemlich chaotisch, aber wenigstens mache man da kein großes Theater. Sollte mir recht sein, schließlich bin ich militanter Impfbefürworter.
Termine konnten unkompliziert über eine Website gebucht werden. Wunderbar, nicht mal Warteschlange, in der man sich Grippe oder gleich Corona holt. Ich checkte den Termin meiner Zweitimpfung und buchte einen Booster-Termin exakt fünf Monate danach. Zwischen dem Tag meiner Buchung und dem Impftermin selbst lagen nur drei Tage. Großartig! Dieses Impfcenter war ein echter Geheimtipp. Praktisch ein magischer Ort, dieses Gleis 5 ½. Es war grad Nikolaus, und es schien, als hätte mir Knecht Ruprecht höchstpersönlich eine unkomplizierte Auffrischungsimpfung beschert.
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Hamburger Skandal-Impfzentrum: Schmutzig Boostern bei Gleis 5 (stern+)