Der Flaneur - Newsletter #1 - 02/2025
Liebe Leser:Innen!
Schön, dass Sie da sind! Ich freue mich sehr, dass Sie den Newsletter meines Hamburg-Blogs "Der Flaneur" abonniert haben. Dies ist nun die erste Ausgabe.
Dornröschen erwacht
In den vergangenen Wochen hat Hamburg gebrodelt. Die immer stärker werdenden rechten Kräfte im Land haben die Stadt mobilisiert. Ein Jahr nach den großen Demonstrationen in Folge der "Correctiv"-Enthüllungen ist die Hansestadt plötzlich wie aus einem Dornröschenschlaf erwacht. Die Demokrat:Innen haben ihren Protest laut und deutlich artikuliert. Das macht mir Mut und hebt meine Laune nach den düsteren Tagen, die der Wiederwahl von Donald Trump folgten.
Bekennende Kirche
In den letzten Tagen bin ich viel auf Demos unterwegs gewesen. Während der Ur-Typus des Flaneurs, Jean Floressas Des Esseintes aus Joris-Karl Huysmans Roman "Gegen den Strich" (1884), noch mit einer angeleinten, mit kostbaren Edelsteinen verzierten Schildkröte unterwegs war, führe ich Protest-Plakate spazieren.
In Harburg wurde bei beißender Kälte gegen einen Wahlkampf-Auftritt von Tino Chrupalla demonstriert. Die Ev.-Luth. St.-Paulus-Kirche hatte ihre Türen geöffnet und sich in einen leuchtenden Schutzraum für Demonstrant:Innen verwandelt. Draußen wurde der Schwarze Block mit Wasserwerfern und Pfefferspray behandelt, drinnen servierten freundliche Gemeindemitglieder den durchgefrorenen Demonstrant:Innen Kaffee und Tee. Unter den hohen Decken ging's turbulent zu, aber man hatte das Gefühl, als wäre hier eine Kirche wirklich zu sich selbst gekommen. Genau wie bei der Predigt der amerikanischen Bischöfin Mariann Edgar Budde bei Trumps Amtseinführung.

Demo am Mahnmal
Der Höhepunkt der bisherigen Proteste gegen Rechts fand am Samstag, den 01.02.25, am Fuße der Nikolaikirche statt. Nachdem Friedrich Merz in den vorangegangenen Tagen die Brandmauer gegen rechts eingerissen und bei gleich zwei Abstimmungen die Stimmen der AfD in Kauf genommen hatte, versammelten sich etwa 80.000 Menschen an der düsteren Ruine der Kirche, die nach den Bombardierungen im Zweiten Weltkrieg nur teilweise wieder aufgebaut wurde.
Dichter Nebel kroch über die schwarzen Mauerstümpfe der südlichen Chorwände und durch die kahlen Äste der Winterbäume. Es war eine gespenstische Stimmung, passend zur politischen Lage. Um so bunter wirkte die protestierende Menge auf der Willy-Brandt-Strasse. Einen passenderen Ort für diese Demo als ein Mahnmal für die Folgen des Faschismus konnte man sich nicht vorstellen.
Berufs-Karussell
Aber nicht nur stetig wachsende Demonstrationen konnten meine Laune im feucht-kalten Januar heben. Besonders viel Mut und Kraft habe ich beim Besuch einer Jobmesse im Cruise Center Altona geschöpft. Ich wollte einfach mal wissen, wie meine Chancen auf dem Arbeitsmarkt mit 57 stehen.
Also habe ich mich bei den unterschiedlichsten Ausstellern vorgestellt. Mein "Fuck AfD"-Beutel hat weder Bundeswehr noch Bundespolizei gestört. Den Zoll schon gar nicht. Im Gegenteil. Der freundliche Fachkräfte-Fahnder sagte: "Job habe ich keinen für Sie. Aber wir sehen uns bei der nächsten Demo!" Ich habe versucht, im Cruise Center mit möglichst vielen Ausstellern ins Gespräch zu kommen. Über mein turbulentes Berufs-Karussell habe ich eine Reportage für den "Flaneur" geschrieben:

Into the Wild
An einem besonders kalten Januartag habe ich einen Spaziergang zum Elbtower gemacht, um das boomende Stadtentwicklungsgebiet rund um die Investitionsruine anzuschauen. Doch da die Fliehkräfte des Flanierens unberechenbar sind, hat es mich dann in der Abenddämmerung in eine verlorene Wildnis mitten in der Stadt verschlagen. Dort habe ich mich im Dickicht auf einen nassen Baumstamm gesetzt und Zwiesprache mit einem Kormoran gehalten. Auch solche Abendgespräch sind immer wieder überaus ermunternd. Den Expeditionsbericht finden Sie hier:
Nutzwert!
Alle Kommunikations-Coaches sind sich einig: Ein Newsletter sollte unbedingt praktischen Nutzwert für die Leser:Innen haben, sonst sind sie schnell wieder weg. Deswegen hier der etwas andere Terminkalender für Hamburg. Er beinhaltet die Veranstaltungen, die ich mir für die kommenden Wochen notiert habe. Vielleicht schreibe ich über die ein oder andere. Und vielleicht treffen wir uns ja bei einem der Termine da draußen. Würde mich sehr freuen!
Flanier-Termine im Februar
- Noch bis 20.02.25
"Ausgeraubt vor der Deportation. NS-Verfolgte im Fokus der Hamburger Finanzverwaltung"
Hamburger Rathaus, Diele, Rathausmarkt 1 - Noch bis 23.03.2025
"Hamburg von oben – Ein historischer Rundflug (1956-1969)" mit Fotos von Günther Krüger
Stadtmuseum Harburg - 03.02.25, 20:00 Uhr
"Bring Your Own Song Night - die Songwriter-Open-Stage"
Ponybar, Allende-Platz 1
Gibt's was Gemütlicheres, als in einer kleinen Bar bei melancholischen Liedern langsam im Rotweinnebel zu verschwinden? Keine Ahnung, ob's im "Pony" trinkbaren Rotwein gibt. Ich trinke ja außerhalb meiner Weingüter in der Bourgogne nur Bier und Airan. Wird aber sicher ein schöner Abend. - 04.02.25, 18:00 – 23:00 Uhr
"Art Jam"
Haus 73, Schulterblatt 73
Einfach Pinsel und Sketchbook mitbringen und loslegen. Oder zugucken. Schöner, freundlicher Ort. - 06. – 09.02.25
"Caravaning Messe"
Hamburg Messe und Congress, Messeplatz 1
Am Paulinenplatz in der Schanze parkt oft ein Wohnmobil, auf den ein Sprayer verächtlich "Eskapismus!" geschrieben hat. Auf dieser Messe bietet sich nun die Gelegenheit, ausführliche ethnologische Studien am modernen Nomadentum zu betreiben. - 06.02.25, 18:00 – 22:00 Uhr
Artsy Impro-Konzert: "Gebrochene Beine" (Hamburger Duo, bestehend aus Eric Falconnier und Sebastian Stein)
Kunsthaus, Klosterwall 15 - 07. – 08.02.25
"Feel.Jazz"-Festival
Hafenklang, Große Elbstraße 84 - 07. – 16.02.25
"Elbphilharmonie Visions"-Festival
Elbphilharmonie
Wie klingt die Gegenwart? Hier kann man's hören – beim Festival für zeitgenössische Musik. Für alle, deren Hirn zugeklebt ist von zu viel "Iced Matcha Latte, zu spät beim Pilates" (Shirin David), und die ihr Oberstübchen mal wieder richtig durchpusten lassen wollen. - 08.02.25, 12:00 – 19:00 Uhr
Abschiedsflohmarkt
Molotow, Nobistor 14
Bevor der Kult-Club "Molotow" dichtmachen muss und dann am 28.03.25 an der Reeperbahn 136 wieder aufmacht, wird alles verscherbelt, was nicht mehr in den Umzugswagen passt. - 11.02.25, 19:00 – 20:00 Uhr
Stand-Up-Comedy mit Shahak Shapira
Haus 73, Schulterblatt 73
Praktisch der einzige Komiker, der mich noch zum Lachen bringt – abgesehen von mir selber. - 13.02.25, 19:30 Uhr
Ham.Lit: Lange Nacht junger Literatur und Musik
Uebel & Gefärlich, Feldstrasse 66
Aktuell ausverkauft, aber evtl. Restkarten am 13.02.25 hier: https://www.hamlit.de/ - 15.02.25, 15:30 Uhr
Musikparade 2025 - Europas größte Tournee der Militär- und Blasmusik
Barclays Arena, Hellgrundweg 44
Wer "Zeitenwende" sagt, muss auch "Marschmusik" sagen. Ohropax nicht vergessen! - 16.02.25, 10:00 – 18:00 Uhr
Flohmarkt
Fabrique, Gängeviertel
Gute Gelegenheit, den wunderbaren Häuserblock mal in Aktion zu erleben und mit den Menschen dort ins Gespräch zu kommen. Immer für Überraschungen gut: Beim letzten Mal hat man mir eine Schubkarre voller Süßkartoffeln geschenkt. Ich weiß bis heute noch nicht, warum. - 18.02.25, 20:00 Uhr
Konzert: "Color of Haze"
Knust, Neuer Kamp 30
Psychedelischer Krautrock. Noch Fragen? - 21.02. – 31.05.25
Ausstellung: "In her Hands" (Bildhauerinnen des Surrealismus)
Bucerius Forum, Alter Wall 12 - 22.02.25, 14:30 Uhr
Demo-Disco: Die wunderbare Techno-Marching-Band "Meute" spielt bei der Demo gegen rechts
Glockengießerwall beim Hauptbahnhof
Für alle, die sich beim Europäischen Festival der Marschmusik in der Barclay's-Arena das Hirn verklebt haben. Kommen Sie zuhauf und stimmen Sie sich auf die Wahl am nächsten Tag ein! - 23.02.25
Wahl zum 21. Deutschen Bundestag - 28.02.25 – 26.10.25
Ausstellung: "Glitzer"
Museum für Kunst und Gewerbe, Steintorplatz
Schluss & Gruß
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Ich wünsche Ihnen einen schönen Februar! Sie hören dann wieder von mir im Frühling!
Herzliche Grüße
Stephan Maus